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Niedrigzinsphase: Auswirkungen auf Banken

Autor  Sven Wilke
Zuletzt aktualisiert: 25. Juni 2021
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Wir alle können uns an die Weltwirtschaftskrise und die verheerenden Auswirkungen vor rund zehn Jahren erinnern – Banken brachen zusammen, namhafte Unternehmen wie General Motors meldeten Insolvenz an und die ohnehin hohe Staatsverschuldung zahlreicher Länder stieg erheblich an.

Zurück blieb laut Schätzungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) ein weltweiter Wertpapierverlust von vier Billionen Dollar.

Die Politik sah sich in der Pflicht, zu handeln und führte eine Senkung der Leitzinsen ein, um die Weltwirtschaft wieder anzukurbeln und eine Kreditklemme durch zahlreiche Unternehmen zu vermeiden – und so ist der Leitzins seit 2008 von 4,25 % auf nahezu 0 % gesunken.

Diese Niedrigzinspolitik war nicht nur ein Weg, für den sich die Europäische Zentralbank (EZB) entschied, sondern auch die Zentralbanken von Japan und Großbritannien sowie FED, die amerikanische Notenbank.

Und während einige dieser Wirtschaften den Leitzins erhöht und das Ende der Niedrigzinsphase eingeläutet haben, bleibt die EZB weiter klar auf Niedrigzinskurs.

Dies begründet die EZB mit der wirtschaftlichen Instabilität, beziehungsweise hoher Staatsverschuldung insbesondere süd(ost)europäischer Länder, die noch immer unter den Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise leiden.

Warum wurde der Niedrigzins eingeführt?

Das Niedrigzinsumfeld wurde mit dem Ziel eingeführt, Abhilfe zu leisten – doch es stellt Banken sowie Verbraucher vor Herausforderungen, die noch zu bewältigen sind.

In diesem Beitrag präsentieren wir die Auswirkungen der Niedrigzinsphase für Banken und erklären, inwiefern Verbraucher von der Politik der Europäischen Zentralbank betroffen sind.

Auswirkungen der Niedrigzinsphase auf Banken

Besonders deutsche Banken haben mit den Begleiterscheinungen der Niedrigzinsphase zu kämpfen, die sich nicht „einfach so“ vermeiden lassen. Doch woran liegt das?

Zum einen liegt das daran, dass die deutschen Banken im Vergleich zu anderen Banken sehr abhängig vom Zinsgeschäft sind. Während zum Beispiel in anderen Ländern ein höherer Teil der Erträge mit Wertpapiergeschäften, der Führung von Konten und dem Verkauf von Versicherungsprodukten erwirtschaftet wird, beziehen deutsche Banken laut Statistik der Bundesbank rund ¾ aller Einnahmen aus dem Kredit- und Einlagengeschäft.

Kernprobleme deutscher Banken

Die Konsequenz…

Laut einer Umfrage der BaFin (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht) in Kooperation mit der Bundesbank planen etwa 40 % aller kleinen und mittleren Geldinstitute in Deutschland Strafzinsen einzuführen.

Vor zwei Jahren lag dieser Prozentsatz bei lediglich 24 %. Den Grund für die Einführung von Strafzinsen begründet ein Diskussionspapier der Deutschen Bundesbank damit, dass nur ein Fünftel aller deutschen Banken Kapitalkosten von 8 Prozent verdienen (die von internationalen Anlegern erwartet werden), wenn die Zinsen in den kommenden Jahren auf dem aktuellen Niveau verbleiben.

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Ein fortschreitender Rückgang der Gewinne deutscher Banken scheint also auch in den kommenden Jahren ein unvermeidliches Szenario zu sein.

Ein weiterer Grund für die Unzufriedenheit deutscher Banken mit der Politik der Europäischen Zentralbank ist eine nachhaltig niedrige Rentabilität, die sich im (ungünstigen) Verhältnis zwischen Kosten und Nutzen zeigt.

Das Problem lautet, dass Finanzprodukte in Deutschland sehr günstig sind und immer weiter nach unten gedrückt werden, was insbesondere an dem starken Wettbewerb liegt.

Zwar sind die meisten deutschen Institute auch für den Ernstfall gut kapitalisiert – kommt es aber nicht zu einem Umdenken, so könnte es bei einigen Volksbanken sowie Sparkassen zu Fusionen kommen – und einige kleinere Banken würden vom Radar verschwinden.

Lösungsansätze

Was sind also die Lösungsansätze, die deutsche Banken in Anbetracht der Niedrigzinsphase verfolgen können? Zum einen besteht die Möglichkeit, die Abhängigkeit vom Zinsgeschäft zu verringern.

Die französische Großbank Crédit Agricole verkauft im Durchschnitt acht Finanzprodukte an ihre Kunden – dieser Wert liegt in Deutschland bei rund vier bis fünf Produkten.

Eine weitere Lösung könnte die Digitalisierung insbesondere traditioneller Banken sein. Anders als Direktbanken haben traditionelle Großbanken sehr hohe operative Kosten, die für das Filialnetz und die vielen Mitarbeiter anfallen.

Digitalisierung kann helfen, Kosten zu senken

Eine Digitalisierung bietet nicht nur die Möglichkeit, die Produkte sowie den Service dieser traditionellen Großbanken an das digitale Banking anzupassen, sondern hilft auch dabei, die Kostenstruktur zu senken.

Folgen für Verbraucher

Für Verbraucher ergeben sich aus der Niedrigzinsphase Vorteile sowie Nachteile, je nachdem ob Sie zu den Sparern, Kreditnehmern oder Anlegern gehören.

Sparer

Die DZ Bank hat kalkuliert, dass deutsche Sparer im Zeitraum zwischen 2010 und 2019 etwa 648 Milliarden Euro durch niedrige Zinsen verloren haben.

Daraus ergibt sich, dass klassische Sparmodelle, wie zum Beispiel das Sparbuch oder auch Festgeldkonten kaum noch attraktiv sind und Besitzer von Bundesanleihen sogar mit Verlusten rechnen müssen.

Die geringen (bis nicht vorhandenen) Zinserträge senken die Bereitschaft der Menschen, das Geld zu parken, worunter die Altersvorsorge leidet.

Dass die Deutschen die Lust am Sparen verloren haben, verdeutlicht eine repräsentative Umfrage des Bankenverbandes – 22 % aller Befragten gaben an, weniger zu sparen, da sich das „einfach nicht mehr lohnt“.

Kreditnehmer

Zu den Gewinnern der Niedrigzinsphase gehören hingegen die Kreditnehmer – also all diejenigen, die einen neuen Kredit aufnehmen oder einen alten Kredit zu besseren Konditionen umschulden möchten.

Ein gutes Beispiel für die sinkenden Zinsen liefert uns der durchschnittliche Effektivzins für Hypothekendarlehen: Während die Zinsen 2007 noch 5,2 % betrugen, liegt dieser Wert heute bei etwa einem Prozent.

Bedingt durch die vielen Anbieter, Filialbanken wie auch Online-Banken herrscht ein regelrechtes Wettrüsten unter den Banken um den niedrigsten Zinssatz, wovon Verbraucher also profitieren.

So konnten Kreditnehmer bedingt durch den Niedrigzins zwischen 2010 und 2019 rund 290 Milliarden Euro  einsparen.

Aktienanleger

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Die Deutschen gelten eher als scheu was Aktien angeht – nur jeder 6. Deutsche gab Aktien als die beliebteste Geldanlage an – der Grund dafür: Verlustangst.

In Zeiten der Niedrigzinsphase sind Sparkonten, aber auch Kapitallebensversicherungen unattraktiv geworden, und so wenden sich wieder mehr Deutsche den Aktien als alternative Anlagestrategie zu.

Gut zu wissen

Aktien stellen Anleger zwar vor ein erhöhtes Risiko im Vergleich zu Sparkonten, jedoch sind die Renditechancen wesentlich attraktiver und höher als bei gewöhnlichen Sparkonten.

Wer sicher anlegen möchte, dem empfehlen wir von Financer eine diversifizierte Anlagestrategie, um das Risiko zu streuen.

Fazit

Den Entschluss, ein Niedrigzinsumfeld zu schaffen, hat nach der Weltwirtschaftskrise nicht allein die Europäische Zentralbank gefasst, sondern auch andere internationale Notenbanken. Grund dafür, dass die EZB weiterhin diesen Kurs verfolgt, ist die wirtschaftliche Instabilität einiger europäischer Mitgliedsstaaten, die weiterhin unter den Folgen der Eurokrise leiden.

Besonders deutsche Banken haben mit dieser Politik zu kämpfen, da diese zum einen sehr abhängig vom Zins- und Einlagengeschäft sind, zum anderen weil der Konkurrenzkampf unter den Banken sehr groß ist.

Um Geld einzusparen und die Rentabilität zu erhöhen, sollten sich deutsche Banken unabhängiger vom Zinsgeschäft machen und mithilfe der Digitalisierung operative Kosten senken.

Sparer profitieren nicht, Kreditnehmer schon!

Deutsche Sparer profitieren nicht von der Niedrigzinspolitik der europäischen Union, da die ersten Banken Strafzinsen eingeführt haben und die Zinserträge generell kaum vorhanden sind.

Kreditnehmer profitieren von den niedrigen Zinsen, da die Konditionen für eine Kreditaufnahme jetzt sehr gut und günstig sind.

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Sven Wilke ist Chief Operating Officer von Financer Deutschland und seit 2019 für das internationale Online-Vergleichsportal tätig. Während seiner Beschäftigung bei Financer konnte er mehrere Millionen Klicks generieren und hat mehr als 100 Gastbeiträge für Wirtschaftszeitungen sowie Finanzmagazine verfasst. Der Schwerpunkt seiner Expertise liegt im Bereich Kredite, Verbraucherschutz sowie wirtschaftspolitische Themen.

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